Barton Fink

Barton Fink

(„Barton Fink“ directed by Joel & Ethan Coen, 1991)

Viele bedeutende Regisseure schufen zumindest ein Werk, in dem sie die Filmindustrie im Allgemeinen bzw. ihren Berufsstand im Besonderen reflektieren: in Sunset Boulevard konfrontiert Wilder einen jungen Drehbuchautor mit der gealterten Stummfilm- Diva Norma Desmond; Fellini beschäftig sich in Otto e mezzo mit dem Erfolgsdruck, dem der (fiktive) Regisseur Guido Anselmi ausgesetzt ist und Godard erzählt in Le Mépris von einer Odyssee der Irrungen und Wirrungen eines Paares vor dem Hintergrund des Filmgewerbes. Diesen Kino- Legenden tuen es die Brüder Joel und Ethan Coen in ihrem Werk Barton Fink gleich.

Achtung: die folgende Rezension enthält Spoiler!

Der ambitionierte Dramatiker Barton Fink träumt von einem anspruchsvollen Theater für die Massen, das das Alltagsleben des „Durchschnittsbürgers“ zum Gegenstand hat. Nachdem er mit seinem letzten Stück über das Dasein der Fischhändler einen großen Überraschungserfolg in New York erzielt hat, folgt er, nach anfänglichen Zweifeln, der Einladung des einflussreichen Studiobosses Jack Lipnick in das Los Angeles des Jahres 1941. Nachdem er ein Appartement in dem heruntergekommenen „Earle- Hotel“ bezogen und Bekanntschaft mit seinem fettleibigen Zimmernachbarn Charlie Meadows, einem Versicherungsvertreter, gemacht hat, stattet er Lipnick einen Besuch ab und erhält von diesem den Auftrag, das Drehbuch zu einem kommerziellen „Catcher- Film“ zu verfassen. Da es Barton an Ideen fehlt, erklärt sich seine Bekannte Audrey Taylor, die Geliebte des einst hochangesehenen, nun alkoholkranken Literaten W.P. Mayhew, dazu bereit, ihm zu helfen. Nachdem die beiden die Nacht miteinander verbracht haben, entdeckt Barton am folgenden Morgen die Leiche Audreys neben sich im Bett…

Die Coen- Brüder beschreiben die Filmindustrie Hollywoods als einen rücksichtslosen Mechanismus, der junge Talente dazu zwingt, sich an den „Mainstream“ anzupassen und jegliche Ideale und Ambitionen aufzugeben; bezeichnend hierfür ist die Figur des W.P. Mayhew (der eine frappierende Ähnlichkeit zu dem Literatur- Nobelpreisträger William Faulkner aufweist), welcher seinen Kummer in unzähligen Flaschen Alkohol zu ertrinken versucht. Auch Barton Fink wird bereits kurz nach seiner Ankunft Teil dieses Mechanismus‘, indem ihm aufgebürdet wird, ein Drehbuch zu einem trivialen B- Film zu schreiben, wozu es ihm an jeglicher Inspiration mangelt. Die Scheinhaftigkeit dieses Gewerbes findet in dem warmherzig wirkenden Charlie Meadows, welcher sich im Verlauf der Handlung als der hochgefährliche Serienkiller Carl Mundt entpuppt, eine Allegorie- ist jener Charlie zunächst Bartons einziger Freund, so offenbart er sich gegen Ende des Films als eine luziferische Erscheinung, die das Hotel in einem Meer von Flammen aufgehen lässt und einem Polizisten mit vorgehaltener Schrotflinte „Heil Hitler“ entgegenzischt. Der einzige Bezugspunkt, den Barton in seinem maroden, gefängnisähnlichen Hotelzimmer hat, ist das über seiner Schreibmaschine prangende Bild einer Frau, die an einem Strand sitzt und den Blick in die Ferne schweifen lässt – für den Schriftsteller ein Symbol der Entgrenzung, das ihm dazu verhilft, der Trostlosigkeit und Absurdität seines Lebens zu entfliehen.

Freilich ist „Barton Fink“ voller undurchsichtiger (Neben-) Charaktere, surrealistischer Einschübe und widersinniger Entwicklungen (und ähnelt in dieser Hinsicht David Lynchs Mulholland Drive), die eine in sich schlüssige Interpretation dieses Werkes nahezu unmöglich machen. Doch eben diese Feststellung ist die Antwort auf die unzähligen Rätsel, die die Coen- Brüder dem Zuschauer aufgeben: die Schattenseiten der „Traumfabrik“ werden als wirres, alptraumhaftes Geflecht, welches Künstlerseelen systematisch verdirbt, nachempfunden. Insbesondere das Ende fordert zu einer genaueren Betrachtung, da es die Kernthematik des Films- das Verhältnis von Künstler und Realität- auf einzigartige Weise verdichtet. Barton Fink ist wahrlich keine leichte Kost und zählt sicherlich zu den schwierigsten Filmen der Coen- Brüder, welche auch in diesem Werk eindrucksvoll unter Beweis stellen, dass sie zu den innovativsten und avanciertesten Filmemachern des Gegenwartskinos zählen.



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8
von 10