Miss Molly Mill

Miss Molly Mill

(„Miss Molly Mill“, TV-Serie, 1970)

Wenn zwei Beamte von Scotland Yard Yellow und Green heißen, kann es sich nur um eine deutsche Fernsehserie handeln, die über ihren Bildschirm flimmert. In diesem Fall flimmert die besagte Fernsehserie erstmals seit 40 Jahren über ihren Bildschirm (wenn überhaupt), denn die 1970 gedrehte, 13-teilige Krimiserie Miss Molly Mill wurde seit ihrem Entstehungsdatum nie wieder ausgestrahlt. Wirft man heute wieder einen Blick auf die Konzeption der Fälle, kann man erahnen warum.

Nichtsdestotrotz hat es sich Pidax nicht nehmen lassen, alle 13 Folgen auf 2 DVDs in einer liebevoll gestalteten Edition zu veröffentlichen. Ehrlichkeit gehört zu dieser liebevollen Gestaltung, denn gleich auf dem Backcover wird darauf hingewiesen, dass hin und wieder kleinere Bild- und Tonaussetzer auftreten können, die nicht behoben werden konnten. Diese sind jedoch keinesfalls derart gravierend oder gar störend auffallend, als das die Liebhaber deutscher Krimiserien Grund zur Beanstandung hätten. Im Gegenteil: dass dieses kuriose Relikt einmal auf DVD veröffentlicht wird, hätten sich wohl die Wenigsten erträumen lassen.

Inge Brück spielt die Raumpflegerin (aka Putzfrau aka Reinigungsfachkraft) Molly Mill, die im London der 70er Jahre verzweifelt eine Festanstellung sucht, was ihr schwerer fällt, als sie gehofft hatte, denn wie es der Zufall will, stolpert sie bei ihrem neuen Arbeitgeber immer wieder in verzwickte Kriminalfälle, die sie aufzuklären sucht, dann meist aber entlassen wird, aus Angst die Anstellung einer ermittelnden Putzfrau könne rufschädigend sein. Unterstützt wird Molly Mill von ihrer Schildkröte Ulysses, mit der sie nicht selten intensive Gespräche führt. Weniger begeistert von Mollys Engagement in der Aufklärung von Verbrechen ist Scotland Yard, hier vertreten durch Inspektor Yellow (Benno Hoffmann) und dessen Assistenten Green (Gerd Vespermann). Die Fälle, die aufgeklärt werden wollen, erweisen sich nicht selten als verzwickt und sind äußerst vielseitig: mal geht es um fünf Tenöre, die plötzlich ihre Stimme verlieren, was den Verdacht auf ein Komplott erwecken lässt. Mal ist es ein 94jähriger Duke, der entführt wird und dann wiederum Prinzen, die anfangen zu husten. Immer wieder ist Molly Mill zur Stelle, um das Rätsel zu lösen – ob die anderen das wollen oder nicht.

Das erste Problem, welches sich bei einer Rezension dieser Serie stellt, ist die Frage, ob sich Miss Molly Mill selber ernst nimmt oder eher eine Satire auf sich selbst oder ähnlich gelagerte, in Großbritannien spielende Kriminalfälle des deutschen Fernsehens darstellt. Seit den populären Edgar Wallace-Filmen von 1959-1972 wurde die BRD mit einer regelrechten Welle an Filmreihen und Fernsehserien überschwemmt, die alle auf der großen Insel nördlich von Deutschland spielten und für die ein Kameramann gerne einmal für ein Wochenende nach London fuhr um ein paar Sehenswürdigkeiten auf Zelluloid festzuhalten, um den Rest des Films anschließend in Berlin oder gleich im Studio entstehen zu lassen. Die Prämisse ist hierbei, dass es besser ist, Miss Molly Mill als eine Parodie anzusehen – nimmt man diese Serie ernst, dürfte man sich bald vor Lachkrämpfen geschüttelt auf dem Fußboden kugelnd wiedersehen, denn die Drehbücher sind von solch unfreiwilliger Komik und absurden Dialogen, dass man oft nur schwerlich glauben kann, was man dort an Juwelen zu hören bekommt und die in etwa so klingen: „Ist das ihre Kamera? Großformat?“ „Nein, das ist meine Medikamententasche. Ich bin Arzt.“

Tatsächlich sind es nicht nur derartige Dialoge, die verstärkt zum Schmunzeln einladen, sondern auch die ein wenig enervierende Tatsache, dass oftmals für den denkfaulen Zuschauer in Form von erzwungenen Monologen Merkwürdigkeiten am Tatort erläutert werden müssen, auf das man den Menschen vor dem Bildschirm nicht überfordere. Auch wenn diese Gegebenheit in den letzten Jahren in Fernsehserien wohl eher noch zugenommen hat, bleibt zu attestieren, dass „Miss Molly Mill“ nicht besonders gut gealtert ist und in weiten Teilen äußerst angestaubt wirkt. Das liegt zu einem großen Teil an den albernen Scherzen, die sich der Drehbuchautor Andreas Fuchs nicht verkneifen konnte, weil derartiges in den 70er Jahren unvermeidlich war.

Während die Edgar Wallace-Filme Eddie Arendt als steten Bespaßer hatte und die Winnetou-Reihe den glucksenden Ralf Wolter, ist es hier Assistent Green, der den debilen Trottel mimen darf und damit auf ein Problem hinweist, das sich durch alle Folgen dieser Serie zieht: es werden keine Menschen abgebildet, sondern Stereotypen und Klischees in Form von Personen, die sich im wahren Leben nie derart verhalten würden, wie sie es hier auf den kürzlich veröffentlichten 2 DVDs tun. Zu diesen wenig amüsanten Klischees gehören die undurchsichtige Angestellte, von der wohl irgendeine Gefahr ausgehen muss, wie man an ihrem überkandidelten Spiel erkennen kann oder die sich bewegenden Augen hinter einem Gemälde. All diese Eigenheiten aus bekannten Krimivorlagen der 60er Jahre greift diese Serie auf und gibt klar zu verstehen, warum die Fernsehsender seit 40 Jahren an einer erneuten Ausstrahlung eher weniger interessiert waren.

Ein weiteres Problem in der Konzeption der einzelnen Folgen dürfte sein, dass der Zuschauer kaum Gelegenheiten erhält, den Ermittelnden bei ihren Untersuchungen zuzusehen, um sie somit auf jedem Schritt zu verfolgen, was eine finale Auflösung des Falles nachvollziehbar machen könnte. Der Länge von gerade einmal 23 Minuten pro Folge ist es geschuldet, dass man kaum Einblick in die Ermittlungen gewährt bekommt und die Lösung letztendlich doch eher wahllos und nicht nachvollziehbar konstruiert erscheint. Am besten ist an alledem die Umsetzung von Pidax, denn beide DVDs weisen eine erstaunlich gute Bild- und Tonqualität auf – gemessen an ihrem Alter und der Tatsache, dass diese Serie quasi für 40 Jahre als verschollen galt. Wer diese Serie allerdings ernst nimmt, der dürfte viel Spaß haben, wobei eine Grenze zum Fremdschämen im oftmals mehr als hölzernen Spiel der Darsteller nicht selten überschritten wird. Dass Miss Molly Mill auch eher schnell heruntergedreht anstatt liebevoll aufgenommen wurde, lässt sich hierbei an vielen kleinen Details erkennen wie der neugierigen Zuschauermenge hinter einem Zaun, die den Darstellern unverblümt beim Drehen zuschauen, anstatt ihren Gang durch die Stadt fortzusetzen. Als Parodie auf sich selbst ist diese Serie wiederum ganz vorzüglich und absolut kurzweilig.

Miss Molly Mill ist seit 1. Juli auf DVD erhältlich



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