filmrezensionen-special
© film-rezensionen.de

Filme, die nicht existieren Teil 2 [Special]

The Day the Clown Cried“ (1972)

Es gibt Konzepte zu viel versprechenden Filmstoffen, die jedoch nie in ein Kinowerk umgesetzt wurden. Es gibt allerdings auch Filme, die aus den verschiedensten Gründen nie fertig gestellt wurden oder gar Werke, die zwar komplett gedreht, anschließend aber sofort zerstört wurden, ohne dass je ein Zuschauer diesen Film gesehen hat. Dieser Teil der neuen Serie „Filme, die nicht existieren“ dreht sich um The Day the Clown Cried von Jerry Lewis.

Es gibt viele Gerüchte um diesen nie vollendeten Film von Komikerlegende Jerry Lewis. Eines dieser Gerüchte ist, dass Lewis selber den Film nie in die Kinos bringen wollte, da er ihn für zu schlecht hielt. Wirft man einen Blick in die Autobiographie des Schauspielers und Regisseurs („Jerry Lewis in Person“, 1982), findet man heraus, dass dies nicht der Wahrheit entspricht, denn noch in den frühen 80er Jahren wollte der Filmemacher – zehn Jahre, nachdem die letzte Klappe für das Werk gefallen war – die Tragikomödie unbedingt in die Kinos bringen, mit der Möglichkeit einige zusätzliche Aufnahmen machen zu können. Bis heute ist das nicht passiert und auch wenn Jerry Lewis sein wohl persönlichstes Werk sehr schätzt, so gibt es ein Dutzend Menschen, die den Rohschnitt gesehen haben, da Lewis ihnen ein Studium ermöglichte und die ausnahmslos The Day the Clown Cried als einen der verstörendsten, weil schlechtesten Filme bezeichneten, die sie je gesehen hätten. Schauspieler Harry Shearer beschrieb ihn in einem Interview mit dem „Spy“-Magazin 1992 mit den folgenden Worten: „Dieser Film ist falsch in einer drastischen Weise. Der Pathos und die Komik sind derart wild missgestaltet, dass man dieses Werk auf keinen Fall irgendwie verbessern könnte. ‚Oh mein Gott!‘ ist alles, was Du dazu sagen kannst. (…) Es ist nicht lustig, es ist nicht gut und jemand versucht zu stark, in die falsche Richtung zu gehen, um diesen starken Eindruck wegwischen zu können.“

Doch worin geht es in diesem Werk überhaupt?

Jerry Lewis spielt – was auch sonst – einen deutschen Clown, der im Zweiten Weltkrieg nach Auschwitz deportiert wird. Sein Name ist Helmut Doork und er ist davon überzeugt, einer der besten Clowns aller Zeiten zu sein – die Aufseher im Konzentrationslager sehen dies freilich anders, doch durch einen Zufall geschieht es, dass Helmut nicht sofort in die Gaskammer geschickt wird, sondern nun über eine lange Zeit jüdische Kinder bei ihrem schweren, letzten Gang begleitet, indem er sie zum Lachen bringt, bevor sie auf bestialische Weise umgebracht werden. In der Hoffnung, ihnen die Angst nehmen zu können, redet er ihnen immer wieder ein, dass sie lediglich in die Dusche geschickt würden, ohne dass ihnen dabei etwas Schlimmes geschieht.

Das Drehbuch von Joan O’Brien und Charles Denton gelangte in die Hände von Jerry, als dieser den Produzenten Nathan Wachsberger traf. Wachsberger bot Lewis an, sowohl die Hauptrolle, als auch die Regie übernehmen zu können – doch der Komiker war skeptisch und hielt sich nicht für die Idealbesetzung, schlug stattdessen Laurence Olivier für die Hauptrolle vor. Doch nach einigem Zögern willigte Jerry Lewis ein, bei diesem Film sowohl Regie zu führen, als auch die Hauptrolle zu spielen, nachdem er das Drehbuch an einigen Stellen verändert und den Namen des Clowns geändert hatte. Ihm wurde ein Budget von 1,5 Millionen Dollar zugesprochen, das er für die Produktion in Schweden, wo der Film in Stockholm gedreht wurde, verwenden könne. Bevor der Dreh begann, nahm Lewis 40 Pfund mithilfe einer Grapefruit-Diät ab – dies änderte jedoch natürlich nichts an seiner Abhängigkeit vom Schmerzmittel Percodan, mit der Lewis noch lange Zeit kämpfen sollte. Für die Rolle seiner Frau im Film wählte er Harriet Andersson aus, die sich in einigen Filmen von Legende Ingmar Bergman einen Namen gemacht hatte. Das Drogenproblem von Lewis sollte jedoch nicht das größte Hindernis sein, als die Dreharbeiten begannen, denn der Produzent Nathan Wachsberger machte sich aus dem Staub und flüchtete nach Frankreich, zahlreiche Gegenstände, die für den Dreh in Schweden benötigt wurden gingen verloren oder waren gar nicht erst vorhanden und die Rechte an dem Drehbuch waren – wie sich später herausstellen sollte – zu dieser Zeit bereits abgelaufen, sodass Lewis offiziell überhaupt keine Erlaubnis für die Verfilmung dieses Stoffes hatte.

Die Dreharbeiten zu The Day the Clown Cried wurden zu einer Zerreißprobe für alle Beteiligten – vor allem für den Regisseur und Hauptdarsteller, der während der 100 Tage Drehzeit pro Nacht lediglich drei Stunden schlief und nahezu eine Herzattacke erlitt, wie er in einem Interview mit der New York Times 1972 bekannt gab. Verzweifelt aufgrund der zahlreichen Pannen während der Produktion begann Jerry Lewis den Film selber zu produzieren und steckte sein gesamtes Geld in den Film. Das war zu jener Zeit nicht unbedingt viel, denn Lewis‘ Stern als Komiker und Leinwandstar war seit längerer Zeit gefallen, seine beste Zeit hatten sowohl er, als auch sein Bankkonto hinter sich. Aufgrund dieser Tatsache und wegen des steten Schlafmangels zeigte sich der Regisseur am Set, Zeugenaussagen zu Folge, als sehr nervös und unkonzentriert. Es sollte noch schlimmer kommen: während der Post-Produktion machte Jerry Lewis das Verhalten des Produzenten Wachsberger öffentlich, woraufhin dieser den Star verklagte.

Dieser wiederum gab Anfang 1973 bekannt, dass der Film während des Festivals in Cannes erstmals gezeigt werden würde. Aufgrund der finanziellen und rechtlichen Probleme ist dies nie geschehen – der Film wurde nie gezeigt und angeblich ist Jerry Lewis der Einzige, der den Rohschnitt des Films besitzt – aufbewahrt in seinem Safe. Überempfindlich sei er geworden, heißt es, da all jene, denen er den Film gezeigt habe (angeblich weniger als ein Dutzend) diesen als unzumutbar beschrieben haben. Für den Regisseur und Schauspieler war dies wie eine Ohrfeige, hing er doch so sehr an diesem sehr persönlichen Werk.

Trotz langen Bittens und Flehens seitens Lewis an die Drehbuchautoren Joan O’Brien und Charles Denton gaben diese den Film nie zur Veröffentlichung frei. Zu entsetzt waren sie von den Szenen, die Lewis ihnen zeigte und welche offenbarten, welche Änderungen sich der Komiker mit dem Script erlaubt hatte. Eine Privatperson gelangte vor einigen Jahren in den Besitz des Drehbuchs – durch eine ebay-Auktion für 15 Dollar. Für jeden einsehbar, hat er es unter dieser Adresse zur Verfügung gestellt:

http://www.subcin.com/clowncried.html

Trotz zahlreicher Gerüchte um eine Neuverfilmung mit Robin Williams oder William Hurt hat sich bislang mit dem Stoff des Clowns, der weinte bislang nichts getan. Seit der verletzenden, weil vernichtenden Urteile derjenigen, die den Film zu Gesicht bekamen, hat Jerry Lewis niemandem mehr sein Werk gezeigt und reagiert bis heute sehr empfindlich auf Anfragen von Reportern bezüglich dieses Themas. In diesem Fall heißt es meistens: „It’s none of your goddamn business!“



(Anzeige)