Superhirn

Das Superhirn

(„Le Cerveau“, directed by Gerard Oury, 1967)

„Da flattern Millionen rum! Rettet, was ihr könnt!“

Ende der 60er Jahre befand sich Gérard Oury auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Der Drehbuchautor und Regisseur gehörte zu jener Zeit zu den populärsten und erfolgreichsten Filmemachern Frankreichs, der mit Die große Sause einen der erfolgreichsten französischen Filme aller Zeiten vorzuweisen hatte. Die Besucherzahlen für diese Komödie wurden erst 1997 mit Titanic getoppt – aufgrund solcher Erfolge in den 60er Jahren hatte Oury das Glück für seinen Film Le Cerveau eine erstklassige Besetzungsliste zusammenstellen zu können, die von Jean-Paul Belmondo und Bourvil über David Niven und Eli Wallach reichte. Das Superhirn ist trotz dieser hochkarätigen Namen kein sonderlich inspirierter Film geworden, sondern lediglich eine durchschnittliche Komödie über mehrere Personen, die alle dasselbe Ziel haben: reich zu werden.

Einer von ihnen ist Arthur (Belmondo), der gerade aus dem Gefängnis ausbricht, obwohl er nur noch vier Tage abzusitzen hat. Hilfe erhält er von seinem Freund Anatole (Bourvil), der mit ihm türmt, um nicht von der Polizei gefangen zu werden. Wenig später erzählt Arthur seinem Kumpel von einem neuen Plan, wie sie zu einer gewaltigen Geldsumme kommen können. Dieses Geld würde, so erzählt Arthur, der Nato gehören, welche die Banknoten in wenigen Tagen von Paris nach Brüssel bringen würden – in einem Zug, schwer bewacht. Anatole lehnt ab, doch da sein Freund unnachgiebig ist, lenkt er schließlich ein und sagt zu, Assistenz bei diesem kriminellen Vergehen zu leisten. Was sie nicht wissen ist, dass noch jemand außer ihnen ein Auge auf diesen Zug geworfen hat, um ihn zu überfallen. Dieser jemand nennt sich das „Superhirn“ (David Niven) und wird von der Polizei in Frankreich und England gesucht.

Das Superhirn hat bereits zuvor mit der Mafia zusammengearbeitet und so stattet er ihr auch diesmal wieder einen Besuch ab. Mit dem Oberhaupt Frankie (Eli Wallach) kommt er ins Geschäft und erläutert seinen todsicheren Plan, wie man an das Geld kommen kann. Nun ist das Superhirn nicht nur ein gerissener Verbrecher, sondern zugleich auch von Beruf Colonel, der damit beauftragt wurde, die Geldübergabe in Brüssel zu organisieren und zu überwachen. Aus diesem Grund sitzt das Superhirn ohnehin an der Quelle und ist über jeden Schritt auf dem Laufenden. Die einzigen, die ihm bei diesem Plan in die Quere kommen sind Anatole und Arthur, denn auch die erweisen sich nicht als dumm. So kommt es zu einem Wettkampf um das heiß begehrte Geld. Es wird geklaut, getrickst und sich gegenseitig über das Ohr gehauen, was in einer wilden Verfolgungsjagd endet…

Le Cerveau hat in Europa viele Fans. Ein Gute-Laune-Film, heißt es da von Bewunderern dieser Komödie. Unglaublich komisch und temporeich seien hervorragende Eigenschaften, meinen lobende Stimmen. Ich denke nicht, dass Das Superhirn funktioniert. Ich denke nicht, dass Das Superhirn komisch ist. Unterhaltsam ja, mit einigen interessanten Einfällen – durchaus. Aber komisch? Nein. Der Film beginnt damit, wie David Niven als das Superhirn eine Fernsehsendung schaut, wie die Eigenschaften des gesuchten Verbrechers – des Superhirns – beschrieben werden. Ein Gehirn, das so groß sein muss, dass der Kopf des Mannes immer wieder auf die Seite fallen müsse. Just in diesem Moment klappt der Schädel David Nivens nach rechts und die Polizei ist ihm auf den Fersen. Ist das lustig? Nein, erst recht nicht, wenn es in einer derart slapstickhaften Weise aufgemacht ist wie in den Stummfilmen der 20er Jahre. Und erst Recht nicht, wenn dem Film an entscheidenden Stellen das richtige Timing fehlt, das mit schlechten Effekten nicht gutgemacht werden kann.

Im Gegenteil: nachdem eine brennende Zigarre den aufblasbaren Wassersessel zum Platzen bringt, sieht man in auffälligem Zeitraffer Niven über den Pool schweben – auf abenteuerliche Weise nachsychroniert, doch in erster Linie nicht komisch. Wenn sie sich in derartigen Szenen an die Pink Panther-Filme von Blake Edwards erinnert fühlen, wird es eine Zeitlang dauern, bis sie diesen Eindruck wieder loswerden, denn gerade die in der Mitte des Films stattfindende Zimmerverwüstung erinnert in ihrer Aufmachung stark an den Stil Edwards‘ der ein Jahr später Peter Sellers als verwirrten Inder in The Party ein gesamtes Gebäude mit seiner Präsenz sprengen lassen soll. Natürlich sind in dieser Hinsicht die eingebauten visuellen Gags recht wahllos, wobei es keine Rolle spielt ob es im Zusammenhang Sinn macht oder gar glaubwürdig ist, wenn inmitten einer finsteren Nacht unbeaufsichtigt Dutzende große Feuerwerkskörper in der Landschaft auftauchen, nur damit sie zur Explosion gebracht werden können.

Man sollte in so einer Komödie nicht nach dem Sinn fragen? Gut – witzig wird es dadurch aber trotzdem noch nicht. In der zweiten Hälfte des Films kann Gérard Oury diese Plattheit durch einige überraschende Wendungen teilweise wieder gutmachen und unterhält als temporeiche Verfolgungsjagd zumeist durchaus beachtlich. Trotzdem fehlt dem Superhirn vor Allem am Anfang der nötige spritzige, frische Witz und das richtige Timing, um als Gaunerkomödie überzeugen zu können, sodass unterm Strich lediglich ein in kleineren Teilen geglückter Gangsterfilm präsentiert wird, der mit einem interessanten Plot und zumindest einer sehr guten Besetzung aufwarten kann.



(Anzeige)

5
von 10