Into The Wild

Into The Wild

(„Into The Wild“ directed by Sean Penn, 2007)

Into The WildSean Penn zum fünften Mal in seiner Karriere nicht vor, sondern hinter der Kamera. Nachdem er zuletzt „Das Versprechen“ sowie einen Beitrag zum Sammelwerk „11‘09‘’01 – September 11“ abgeliefert hat, widmet er sich nun dem autobiographischen Stoff („In die Wildnis. Allein nach Alaska“ von Jon Krakauer) um einen Aussteiger.
Schnell wird deutlich, dass sich Christopher McCandless (Emile Hirsch) aus seinem familiären Umfeld mit all seinen Konventionen und Verpflichtungen lösen will. Obwohl er soeben sein Studium mit Bravour bestanden hat und auch alle weiteren Vorzeichen für eine erfolgreiche Karriere zu seinen Gunsten stehen, merkt man, dass ihm ganz andere Dinge durch den Kopf gehen. Seine Weltsicht speist sich aus anspruchsvollen moralischen Idealen, die er künftig resolut in seine Lebensweise übertragen will. Seine antimaterialistische und antikonventionelle Haltung, die sich im Laufe seines Lebens herauskristallisiert und manifestiert hat, ist als Gegenpositionierung zu seinen kleinbürgerlichen Eltern zu verstehen. Der Absolvent litt in seiner Kindheit vor allem darunter, dass sein Vater (William Hurt) mit seiner Mutter (Marcia Gay Harden) ständig stritten, obwohl – oder wegen – die Familie wohlhabend war. Ausnahme bleibt seine Schwester Carine (Jena Malone), mit der er sich gut versteht. So kommt es, dass Christopher sein komplettes Vermögen für karitative Zwecke spendet, sich all seines Besitzes entledigt und eine Reise durch Amerika (Kalifornien, Grand Canyon, Mexiko und Washington) antritt. Auf seinem Selbstfindungstrip in der Freiheit macht er immer wieder Halt und erlebt in der Fremde durch neu geknüpfte Freundschaften die Gefühle, die ihm sein Elternhaus versagt haben. So arbeitet er zunächst auf einer Farm, lässt sich später bei Alt-Hippies nieder und verbringt dann eine Weile bei einem Witwer. Doch auch die neuen Freunde können ihn endlich nicht von dem riskanten Vorhaben abbringen alleine nach Alaska aufzubrechen. Scheinbar ist McCandless Freiheitsdrang unbegrenzt, so dass er blindlings in sein Schicksal läuft.
Obwohl Penn versucht eine Distanz zum Protagonisten zu bewahren (die Schwester ersetzt eine Ego-Perspektive), merkt man „Into the Wild“ an, dass der Regisseur eindeutig Stellung zugunsten McCandless bezieht. Dieser Umstand schadet dem Film jedoch in keinster Weise. Kritiker behaupten, Penn würde als Linksintellektueller die Figur nicht kritisch genug hinterfragen. Als Zuschauer verfügt man jedoch immer noch genügend Spielraum, um sich eine persönliche Ansicht zu McCandless anzueignen. Verteufelt man sein Verhalten als leichtsinnig stempelt man ihn leicht als Verrückten ab. Man kann ihn aber auch als konsequenten Verantwortungsethiker sehen. Die Realität liegt – wie so oft – wahrscheinlich in den dazwischenliegenden Grautönen. So erhält die Freiheitseuphorie McCandless in Alaska mehr als einen Dämpfer: In sein Tagebuch trägt der Aussteiger ein, dass ein grenzenloses Freiheitserlebnis nichts wert ist, wenn man es nicht teilen kann.
Ein Querverweis den McCandless gibt, ist sein Spitzname, den er sich auf seinem Road-Trip gibt: „Alexander Supertramp“. Dies ist eine Anspielung auf W.H. Davies‘Supertramp – Autobiographie eines Vagabunden“. Überhaupt strotzt der Film mit Parallelen zum Werk der Vorbilder des gesellschaftlichen Grenzgängers – beispielsweise zum Beatnik Jack Kerouac („Road Trip“) oder zum Philosophen H.D. Thoreau („Walden. Oder leben in den Wäldern“, „Leben aus den Wurzeln“, „Über die Pflicht zum zivilen Ungehorsam“). Gemeinsam haben die Referenzautoren, dass sie ein einfaches Leben propagieren.
Der Schauspieler Hirsch konnte in „Into the Wild“ zeigen was wirklich in ihm steckt. Spielte er zuvor noch in mäßigen Produktionen mit, konnte er seitdem („Speed Racer“, „Milk“, „Taking Woodstock“) in erfolgreicheren Filmen mitwirken. Abgesehen davon weist Penns Abenteuer-Drama eine hohe Ähnlichkeit zu Werner Herzogs Dokumentation „Grizzly Man“ auf, in der der deutsche Filmemacher den Bärenliebhaber Timothy Treadwell porträtiert.
Into the Wild“ ist ein Abenteuer-Trip, der das ur-amerikanische Lebensgefühl von grenzenloser Freiheit nachzeichnet. Ob ungezähmte Natur oder die einfache Lebensweise eines Vagabunden, hier liegt ein pittoresker, sozialer Gegenentenwurf zur amerikanischen Bürgergesellschaft vor.



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