Night on Earth
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Night On Earth

Kritik

Night On Earth
„Night on Earth“ // Deutschland-Start: 12. Dezember 1991 (Kino) // 21. August 2014 (DVD/Blu-ray)

Mein dritter Film von Jim Jarmusch und wieder bekomme ich ein Wahnsinnsteil geliefert. Ähnlich wie in Coffee And Cigarettes werden kurze Geschichten mit unterschiedlichen Charakteren erzählt, das Ambiente ist dabei aber immer sehr ähnlich. Wenn dies im genannten Film noch eine Bar war, dann ist es in diesem Werk ein Taxi. Der Besucher begleitet fünf Taxis in fünf bekannten Weltmetropolen.

Die Fahrt geht los mit der kleinen Corky (Winona Ryder), die eigentlich viel lieber Mechanikerin wäre. Sie chauffiert gegen Abend eine Casting-Mangerin (Gena Rowlands) durch die Straßen von Los Angeles. Als sie von ihrer Kundin die Chance bekommt in einen großen Film mitzuspielen, lehnt sie dankend ab: sie will wie gesagt unbedingt Mechanikerin werden. Zur selben Zeit versucht in New York Helmut Gorkenberger (Armin Müller-Stahl), ein immigrierter Clown aus Dresden, sein Glück. Es ist sein erster Arbeitstag und er ist noch nie mit einem Automatikgetriebe konfrontiert worden. Zum Glück gibt es da YoYo (Giancarlo Esposito), einem Schwarzen aus Brooklyn, der sich um ihn kümmert. Nachdem sie YoYos Schwägerin Angela (Rosie Perez) abgeholt und darüber fachgesimpelt haben, wie man einem Kind Namen wie Helmut oder YoYo antun kann, ist ihre Fahrt aber auch schon zu Ende.

Nun wird erstmal Kontinent gewechselt und zwar geht es nach good old Europe. Dort angekommen betrachtet der Zuschauer einen bulligen Afrikaner (Isaach De Bankolé), wie er sein kleines Taxi durch Paris lenkt. Auf dem Hintersitz befinden sich zwei besoffene, schwarze Diplomaten die sich über seine Herkunft amüsieren. Nachdem er die beiden kurzerhand auf die Straße gesetzt hat, betritt eine faszinierende, blinde Dame (Béatrice Dalle) das Taxi. Ihre Fahrt durch die Stadt der Liebe enthält einige interessante Fragen.

Cut und Szeneriewechsel. Wir befinden uns nun in der ewigen Stadt, genauer gesagt in Rom, Italien. Ein kleines, gelbes Taxi schlingelt sich durch die Gassen. Der witzige Lenker (Roberto Begnini) scheint sich die Zeit mit sinnlosen Geschwafel zu vertreiben. Die italienische Hauptstadt scheint heute wirklich ausgestorben zu sein, aber halt! Da ein Priester (Paolo Bonacelli) oder ist es ein Bischof? Egal, rein damit in das Mobil. Der pfiffige römische Taxifahrer, der eigentlich aus der Toskana kommt, scheint heute seine Sünden loswerden zu wollen die den betagten Pfarrer wortwörtlich ins Grab bringen werden.

Es bleibt aber keine Zeit für allzu große Trauer, denn der Beobachter befindet sich schon im nordischen Helsinki, der Hauptstadt Finnlands. Auch hier, um fünf Uhr morgens, scheint die Metropole zu einer Geisterstadt geworden zu sein. Mika (Matti Pellonpää), ein schnauzbärtiger Taxifahrer, bekommt schließlich den Auftrag drei Kunden abzuholen. Die drei besoffenen Männer (Kari Väänänen, Sakari Kuosmanen und Tomi Salmela) erklären ihrem Fahrer, warum sie sich so vollaufen haben lassen und warum es einen von ihnen ganz mies ginge. Nachdem der ruhige Finne sich die Geschichte angehört hat, erzählt er dem Trio, was wirklicher Schmerz bedeutet. Nachdem sie vom Tod von Mikas Neugeborenen erfahren haben, liefert dieser die drei weinend zu Hause ab.

Der Film endet hier und man hat überhaupt nicht das Gefühl, als seien schon fast 130 Minuten um. Die interessanten Charaktere, die meistens witzigen Situationen und die genialen Darsteller machen diesen Film zu etwas ganz Besonderem. Als einer der ganz wenigen Independent-Regisseure trotzt Jarmusch der Filmindustrie schon seit Jahren und beweist dass es auch anders geht. Die musikalische Untermalung, diesmal von seinem Freund Tom Waits, ist passend, aber ganz im Gegensatz zu Jarmuschs Dead Man eher unauffällig. Interessant, aber durchaus gut, finde ich die Entscheidung, den Film nicht synchronisieren zu lassen. So spricht jeder Akteur in der jeweiligen Landessprache und sorgt somit für Authentizität. Begeistern konnte mich eigentlich jede der fünf Sequenzen. Hin und weg war ich aber vor allem von der zweiten in New York und auch die Fahrt durch Rom mit Begninis unverbesserlichem Gelaber fand ich zum Weglachen. Hier muss ich aber darauf hinweisen, dass die deutschen Untertitel in keinster Weise dem Gesprochenen gerecht werden. Zwar ist die Übersetzung durchaus korrekt, aber vieles kommt im Deutschen nicht so gut rüber wie im Original. Was die Übersetzung der Szenen in Paris und Helsinki angeht, kann ich leider für nichts garantieren, da ich die beiden Sprachen nicht beherrsche. Englisch hingegen dürfe für die meisten kein Problem darstellen, die Untertitel fand ich als kleine Hilfe aber dennoch ok.

Wer noch keinen Jarmusch-Film gesehen hatte, sollte dieses Werk von ihm auf keinen Fall meiden. Auch Leute die an eine lineare Handlung mit Happy End gewöhnt sind, können ohne Bedenken einen Blick riskieren.

Credits

OT: „Night on Earth“
Land: USA
Jahr: 1991
Regie: Jim Jarmusch
Drehbuch: Jim Jarmusch
Musik: Tom Waits
Kamera: Frederick Elmes
Besetzung: Winona Ryder, Armin Müller-Stahl, Gena Rowlands, Giancarlo Esposito, Isaach De Bankolé, Matti Pellonpää, Roberto Begnini

Bilder

Trailer

Filmfeste

Sundance Film Festival 1992
International Film Festival Rotterdam 1992
Locarno Film Festival 2006
Berlinale 2011

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